Aphasie & Schlaganfall Chor Erfurt

15 Dez Aphasie & Schlaganfall Chor Erfurt

Seit 5 Jahren gibt es unseren Aphasie & Schlaganfall Chor Erfurt. Wir Sänger sind alle behindert, aber wenn wir singen, dann strahlen die meisten voller Glück.

Jeden 2. Dienstag ist es soweit: Um 11:30 Uhr trifft sich unser Chor in der Polyklinik am Südpark Erfurt zur Probe.

Gemeinsam singen hier Menschen mit einer Sprachbehinderung. Ich bin von Anfang an dabei. Wir sind alle froh, dass es diesen Chor gibt. Mittendrin kann man Herrn Dietrich Roloff erkennen. Er ist leidenschaftlicher Logopäde und hat den Chor mit begründet. Wir sind in den letzten Jahren zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammen gewachsen. Der Spaß am Singen und die Gemeinschaft mit anderen Betroffenen sind wichtig!

Zehn Jahre nach meinem Schlaganfall habe ich wieder Freude am Leben. Ich schäme mich nicht für meine Aphasie. Ich gehe offen und ohne Angst auf andere Menschen zu. Mein Selbstbewusstsein ist stärker als je zuvor. In meinem „ersten Leben“ war ich begeisterte und engagierte Lehrerin. Der Schlaganfall hat mich damals von einer Sekunde auf die andere aus dem Leben gerissen. Ich habe es meinen Kindern, dem Landesverband Aphasie Thüringen und unserem Chor zu verdanken, dass ich heute mit meiner Behinderung umgehen kann und optimistisch in die Zukunft schaue. Mein Sprechen ist noch nicht optimal, ich leide an einer Sprechapraxie, dafür kommen alle anderen Sprachleistungen in kleinen Stücken zurück. Jeder kann merken, dass auch meine Schriftsprache immer besser wird. Die Texte fließen immer leichter aus meiner Feder bzw. meinem Computer. Ich habe meinen Platz in der Gemeinschaft gefunden. Jetzt freue ich mich auf eine ganz wunderbare Rolle: Im nächsten Jahr werde ich zum ersten Mal Oma und kann es kaum erwarten.

5 Jahre Aphasie & Schlaganfallchor

Mit Frau Weichard – unserer Chorleiterin – und Herrn Roloff – unserem Motivationstrainer – haben wir zwei Menschen gefunden, die mit viel Liebe und Humor unsere Truppe zusammen halten. Der Humor und die Freude am Singen sind für uns alle wichtig. Singen in der Gemeinschaft befreit, baut Ängste und Barrieren ab. Erst ist es nur ein leiser Ton, dann eine kleine Silbe und plötzlich ist man im Satz. Unbemerkt bewegt sich unser Mund immer lockerer. Melodien zaubern plötzlich ein Lächeln auf die Gesichter. Die Sprache, die für uns Aphasiker oft nicht mehr willkürlich abgerufen werden kann, fällt leichter. Aus einem verkrampften Stocken und Poltern wird ein weich fließender Text. Unsere Fortschritte in den letzten Jahren sind kaum in Worte zu fassen. Zu Beginn waren wir glücklich über jedes einfache gelungene Lied. Heute singen wir gelassen und mit tragfähigen Stimmen Kanons und selbstgedichtete Texte zu bekannten Schlagern und Melodien.

Ja, Sie haben richtig gelesen, wir haben in unseren Reihen zwei hervorragende Künstler, die uns nachdenkliche oder humorvolle Texte auf den Leib schreiben. Ein großes Dankeschön an Frau Beiküfner und Herrn Wisser. Frau Weichard steuert dann noch die notwendigen Gewürze hinzu und fertig ist ein musikalisches Menü.

Wir sagen Danke an Frau Weichard und Herrn Roloff, die vielen von uns das Lachen wieder zurückgeschenkt haben. Wir sind selbstbewusster und offener geworden. Wir haben auch außerhalb des Chores Kontakt miteinander und genießen die vielen gemeinsamen Aktivitäten.

Ich selbst wäre ohne den Chor nie so weit in meiner Entwicklung gekommen. Ein großes Stück Geborgenheit, aber auch hohe Anforderungen an alle Teilnehmer, das macht den Chor aus. Ich habe gelernt, mit meiner Behinderung in die Öffentlichkeit zu gehen und jeden Tag dankbar zu sein, dass ich noch am Leben teilhaben kann.

Hier ist der Text zu unserem 5- jährigen Jubiläum – nach der bekannten Melodie: Eine Seefahrt
die ist lustig!

Eine Seefahrt die ist lustig
Eine Seefahrt, die ist schön
ja da kann man fremde Länder
Und noch manches andre sehn.
Hol-la-hi, hol-la-ho – Hol-la-hi-a hi-a hi-a, hol-la-ho
Ja der Chor wird heut 5 Jahre
und es gingen sehr schnell voran
früher konnten wir kaum Sprechen
heut singen wir im Kanon
Hol-la-hi, hol-la-ho – Hol-la-hi-a hi-a hi-a, hol-la-ho

Unsere Leiterin Frau Weichard
ist für und ein wahrer Schatz
trillert sie mit uns die Lieder
wird gar neidisch jeder Spatz.
Hol-la-hi, hol-la-ho – Hol-la-hi-a hi-a hi-a, hol-la-ho
Wenn wir weiter hier so singen
und die Gäste stimmen mit ein
wird der Chor wohl immer größer
und der Saal für ihn zu klein
Hol-la-hi, hol-la-ho – Hol-la-hi-a hi-a hi-a, hol-la-ho
Darum lasst das Lied jetzt enden
ja es geht keiner mehr rein
denn mein Nachbar hier zur Rechten
steht schon auf mei`m linken Bein
Hol-la-hi, hol-la-ho – Hol-la-hi-a hi-a hi-a, hol-la-ho

 

Durch meine zurückgewonnene Lebenslust bin ich immer neugierig auf Informationen und Hintergründe. „Mister Google“ ist ein guter Freund geworden. Hier fand ich auch folgenden Beitrag:

Singen macht stark

Stimmt das, haben Töne wirklich so viel Macht? Können sie unser Wohlbefinden derart positiv beeinflussen? Der deutsche Musikpsychologe Dr. Karl Adamek geht noch weiter. Er sagte in einem Interview, dass Singen glücklich mache, denn es kurble die Produktion von Glückshormonen wie Serotonin an, das gegen Depression und Angst helfe. Beta-Endorphin erzeuge Glücksgefühle und Noradrenalin erhöhe die Lebensmotivation. Gleichzeitig würden sich beim Singen jene Hormone zurückbilden, die uns aggressiv und stressanfällig machen: Testosteron, Adrenalin und Kortisol. Dazu genügen übrigens ein paar Liedstrophen. Wer singt, ist gesünder, lebensfroher, zuversichtlicher und tatkräftiger, das hat Adamek bei mehr als 500 Probanden empirisch nachweisen können. Und das gilt auch für Laiensänger.

Wir alle können diese Sätze nur bestätigen – Singen macht stark! Singen bildet eine Brücke zwischen Krankheit und Gesundheit, zwischen Angst und Mut! Wir gehen gemeinsam über diese Brücke, denn sie führt uns aus der Einsamkeit in die Gemeinschaft. Wir haben durch unsere Krankheit erfahren, wie bedrohlich Einsamkeit und Angst sind. Jetzt fühlen wir uns wieder frei und können lachen. Unsere Krankheit wird für immer bleiben, aber wir haben gelernt damit umzugehen und wieder optimistisch in das Leben zu schauen. Dabei begleitet uns die Musik! Danke!

Danke, dass Ihr Euch Zeit genommen habt mir zuzuhören. Es hat mir viel Spaß gemacht, über unseren Chor und die Freude an der Musik zu schreiben.

Viele Grüße bis zum nächsten Jahr!
Eure Monika Habermann

Impressum

Herausgeber: Selbsthilfegruppe Aphasie & Schlaganafall Erfurt, Häßlerstr. 6, 99096 Erfurt, Telefon: 0361 / 653 81 05, E-Mail: info@shg-schlaganfall-aphasie-erfurt.de , Internet: www.shgschlaganfall-aphasie-erfurt.de

Redaktion: Monika Habermann
Stand: Dezember 2018, 1. vollständig überarbeitete Auflage
Layout: Selbsthilfegruppe Aphasie & Schlaganafall Erfurt
Fotos und Abbildungen: Fotolia by Adobe – Corporation, Computerclub der Selbsthilfegruppe Aphasie & Schlaganfall Erfurt
Druck: WIRmachenDRUCK GmbH

Datenschutz: Wir verweisen auf unsere gültigen Datenschutzbestimmungen – www.shg-schlaganfall-aphasie-erfurt.de.

Alle Rechte vorbehalten. Alle dargestellten Informationen und einzelne Bestandteile wurden nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Dennoch haftet der Landesverband für die Rehabilitation der Aphasiker Thüringen e. V. nicht für Vollständigkeit und Richtigkeit. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Selbsthilfegruppe Aphasie & Schlaganfall Erfurt.